„Vorwort“ aus: Karl Kern: „CAVON. Leben und Werk des Bernhard Nowak“. 2017
Vorwort
Dies hier ist die Familiengeschichte
eines kulturtätigen Journalisten
namens N o w a k, Bernhard,
er lebte bewegt in
bewegten Zeiten.
Bernhard Nowak: Genealogie. 1964.
Aus: Zueignung an meinen Sohn1
Bewegt in bewegten Zeiten lebte Bernhard Nowak, genannt Cavon,2 der 1904 in ein Jahrhundert hineingeboren wird, das nicht nur zahlreiche politische, kulturelle und soziale Umbrüche, sondern auch zwei furchtbare Weltkriege zu verantworten hat. Die historische Katastrophe spiegelt sich in der persönlichen und vice versa: Sie wird bei Nowak zu »mein[em] Auschwitz in mir« und damit zum Synonym für das Unrecht in der Welt. Dessen Überdimensionalität verurteile selbst Gott zu einem passiven »Zuschaun« und lasse ihn so zum Teil eines »dumm[en] und böse[n]« und gerade deswegen so gefährlichen »Narrenspiels« werden. Nur scheinbar greift Nowak hier Hannah Arendts Definition der Banalität des Bösen auf, liegt das Böse bei ihm doch stets in der Verantwortung jedes Einzelnen, wenngleich oft in der Hand der Machthaber, deren politische Vorgaben seine Biografie maßgeblich bestimmen.
Der Intellektuelle Nowak indes sucht die Antwort nicht im Glauben, sondern in dem, was ihm zeitlebens das Wichtigste ist: in der Kunst. Sie ist die Passion und Profession seines Lebens, mit der er zugleich seiner zweiten Leidenschaft, der Faszination für den weiblichen Körper, Ausdruck verleiht. Doch Nowak ist nicht nur ein Meister pikanter grafischer und zeichnerischer Akte voll virtuoser Sinnlichkeit, sondern auch ein scharfer Beobachter seiner Zeit. Mit durchgängig spitzer Feder dokumentiert und kritisiert er die gesellschafts- und kulturpolitischen Entwicklungen und Missstände und riskiert in seinen appellatorischen antifaschistischen Karikaturen nicht nur seine Existenz als Künstler. In der Manier eines George Grosz, Otto Dix, Max Beckmann, aber auch im Stil einer Käthe Kollwitz liefert Nowak eindringliche Bilder des Zeitgeschehens, stets signiert, meist datiert, oft kommentiert und von einer unverwechselbaren Formensprache, die trotz Anleihen bei bekannten Meistern einen überzeugend individuellen Stil von bemerkenswerter Qualität erkennen lässt.
Nowak findet Antwort auf die existenziellen Fragen, die seine individuelle Biografie unter dem Einfluss der politischen Ereignisse immer wieder aufwirft, »in Büchern, in Bilder[n]; in mir«. Und fügt lakonisch hinzu: »Wo sonst?«
Geboren als unehelicher Sohn eines Italieners und einer Deutschen ist Nowak – zwischen »Rassen und Klassen irrend« – früh Anfeindungen und der Notwendigkeit ausgesetzt, seine Identität außerhalb gesellschaftspolitischer Strukturen zu finden und zu festigen, vornehmlich in der Identität als Künstler, als welcher er früh reüssiert und als welcher er sich im Privaten auch bis zu seinem Tod 1985 immer definieren wird. Davon zeugen nicht nur über 1500 Werke unterschiedlichster Stile, Techniken und Genres von durchgängig hoher Qualität, sondern auch Nowaks Selbstverständnis als Künstler, der »das Leben in Bildern« begreift, ergreift, fassbar macht – für sich selbst, aber auch für seine zahlreichen Freunde aus dem kulturellen Bereich und nicht zuletzt für den heutigen Betrachter und Leser. Geprägt durch die Geschehnisse des Nationalsozialismus weiß Nowak jedoch auch um die Fragilität derartiger geistiger Produkte: »Verse, Buchseiten, Zeichnungen« können – wenn sie mit der jeweils herrschenden Ideologie unvereinbar sind – zensiert, verboten oder im schlimmsten Fall vernichtet, verbrannt werden. Ein Schicksal, das zahlreiche so genannte entartete Künstler und Schriftsteller teilen und das auch Nowak selbst ereilte. Als Vertreter der so genannten verschollenen Generation konnte er in den Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren zwar bereits erste wichtige Aufmerksamkeit als Maler erzielen, wurde durch die Vorgaben der Nationalsozialisten in seiner weiteren künstlerischen Entwicklung jedoch so massiv behindert, dass es ihm wie den meisten verfemten Künstlern nach Kriegsende nicht gelang, an seine frühen Erfolge anzuknüpfen. Dabei hatten weitsichtige Zeitgenossen den jungen Absolventen der Akademie der Bildenden Künste München in Kritiken bereits als »malerische Nachkommenschaft von Toulouse-Lautrec« gewürdigt und für seine »auffallende Schärfe des Blicks« gelobt.
Heute ist der Maler, Grafiker, Autor, Illustrator und spätere künstlerische Leiter des Satiremagazins Eulenspiegel Bernhard Nowak klar im stilistischen und politischen Spannungsfeld des 20. Jahrhunderts zu situieren. Zu dessen wichtigen repräsentativen Vertretern zählt er nicht zuletzt aufgrund seines kulturpolitischen Engagements als Leiter der Kulturredaktion der Neuen Berliner Illustrierten, als Bildredakteur der Zeitschrift Das Magazin und als Leiter des von ihm aufgebauten Plakatarchivs der Akademie der Bildenden Künste Berlin.
Außergewöhnlich gut ist der künstlerische und politische Werdegang Bernhard Nowaks durch einen umfangreichen Nachlass dokumentiert, der sich heute im Privatbesitz des Autors Karl Kern befindet und das solide Fundament für eine faktenbasierte und authentische Aufarbeitung der Lebensleistung des Künstlers und Kulturschaffenden Nowak bildet.
Das Resultat von Kerns mehr als fünfzehnjähriger Forschungstätigkeit zu Person, Leben und Werk Bernhard Nowaks liegt nun vor in Form seines Künstlerromans CAVON. Ein biografischer Roman in Bildern, der zusammen mit bundesweiten Retrospektiven des künstlerischen OEuvres Nowak-Cavons zu dessen Rehabilitierung und später Anerkennung als wichtiger Vertreter der Neuen Sachlichkeit, aber auch zur erstmaligen Sichtbarmachung seines weitaus vielschichtigeren Gesamtwerkes beitragen soll.
Dass einzelne Werke Nowaks aus der Sammlung des Willy-Brandt-Hauses Berlin und des Zentrums für verfemte Künste Solingen durch Wanderausstellungen bereits einem breiten Publikum zugänglich waren und noch sind, ist Ansporn und Bestätigung zugleich.
Denn anders als die fassbaren Produkte geistiger Tätigkeit, deren Existenz stets latent gefährdet ist, ist ein mentales Element des kulturellen Gedächtnisses unantastbar und seine Permanenz garantiert:
»Was bleibt?
Ein Wort, bis der Anlass vergessen ist;
Verse, Buchseiten, Zeichnungen – sie sind
brennbar. Dir bleibt: der Name
Nowak.«
Dr. Frauke Bayer, im Februar 2017
1 Dieses wie die folgenden Zitate stammen aus: Bernhard Nowak: ZUEIGNUNG an meinen am 19. März 1940 geborenen Sohn, verfasst 1964 unter dem Pseudonym B. Idamann, im Privatbesitz von Friedrich Nowak, Berlin.
2 Bernhard Nowak benutzte das Pseudonym Cavon, ein Anagramm seines Nachnamens Nowak, für sein Frühwerk bis in die Dreißigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Blätter aus diesem Zeitraum sind häufig auch nur mit einem stilisierten C als Signet signiert. In der Forschung und im Kunsthandel wird Nowak unter dem Namen Bernhard Nowak-Cavon geführt.
Vorwort
Dies hier ist die Familiengeschichte
eines kulturtätigen Journalisten
namens N o w a k, Bernhard,
er lebte bewegt in
bewegten Zeiten.
Bernhard Nowak: Genealogie. 1964.
Aus: Zueignung an meinen Sohn1
Bewegt in bewegten Zeiten lebte Bernhard Nowak, genannt Cavon,2 der 1904 in ein Jahrhundert hineingeboren wird, das nicht nur zahlreiche politische, kulturelle und soziale Umbrüche, sondern auch zwei furchtbare Weltkriege zu verantworten hat. Die historische Katastrophe spiegelt sich in der persönlichen und vice versa: Sie wird bei Nowak zu »mein[em] Auschwitz in mir« und damit zum Synonym für das Unrecht in der Welt. Dessen Überdimensionalität verurteile selbst Gott zu einem passiven »Zuschaun« und lasse ihn so zum Teil eines »dumm[en] und böse[n]« und gerade deswegen so gefährlichen »Narrenspiels« werden. Nur scheinbar greift Nowak hier Hannah Arendts Definition der Banalität des Bösen auf, liegt das Böse bei ihm doch stets in der Verantwortung jedes Einzelnen, wenngleich oft in der Hand der Machthaber, deren politische Vorgaben seine Biografie maßgeblich bestimmen.
Der Intellektuelle Nowak indes sucht die Antwort nicht im Glauben, sondern in dem, was ihm zeitlebens das Wichtigste ist: in der Kunst. Sie ist die Passion und Profession seines Lebens, mit der er zugleich seiner zweiten Leidenschaft, der Faszination für den weiblichen Körper, Ausdruck verleiht. Doch Nowak ist nicht nur ein Meister pikanter grafischer und zeichnerischer Akte voll virtuoser Sinnlichkeit, sondern auch ein scharfer Beobachter seiner Zeit. Mit durchgängig spitzer Feder dokumentiert und kritisiert er die gesellschafts- und kulturpolitischen Entwicklungen und Missstände und riskiert in seinen appellatorischen antifaschistischen Karikaturen nicht nur seine Existenz als Künstler. In der Manier eines George Grosz, Otto Dix, Max Beckmann, aber auch im Stil einer Käthe Kollwitz liefert Nowak eindringliche Bilder des Zeitgeschehens, stets signiert, meist datiert, oft kommentiert und von einer unverwechselbaren Formensprache, die trotz Anleihen bei bekannten Meistern einen überzeugend individuellen Stil von bemerkenswerter Qualität erkennen lässt.
Nowak findet Antwort auf die existenziellen Fragen, die seine individuelle Biografie unter dem Einfluss der politischen Ereignisse immer wieder aufwirft, »in Büchern, in Bilder[n]; in mir«. Und fügt lakonisch hinzu: »Wo sonst?«
Geboren als unehelicher Sohn eines Italieners und einer Deutschen ist Nowak – zwischen »Rassen und Klassen irrend« – früh Anfeindungen und der Notwendigkeit ausgesetzt, seine Identität außerhalb gesellschaftspolitischer Strukturen zu finden und zu festigen, vornehmlich in der Identität als Künstler, als welcher er früh reüssiert und als welcher er sich im Privaten auch bis zu seinem Tod 1985 immer definieren wird. Davon zeugen nicht nur über 1500 Werke unterschiedlichster Stile, Techniken und Genres von durchgängig hoher Qualität, sondern auch Nowaks Selbstverständnis als Künstler, der »das Leben in Bildern« begreift, ergreift, fassbar macht – für sich selbst, aber auch für seine zahlreichen Freunde aus dem kulturellen Bereich und nicht zuletzt für den heutigen Betrachter und Leser. Geprägt durch die Geschehnisse des Nationalsozialismus weiß Nowak jedoch auch um die Fragilität derartiger geistiger Produkte: »Verse, Buchseiten, Zeichnungen« können – wenn sie mit der jeweils herrschenden Ideologie unvereinbar sind – zensiert, verboten oder im schlimmsten Fall vernichtet, verbrannt werden. Ein Schicksal, das zahlreiche so genannte entartete Künstler und Schriftsteller teilen und das auch Nowak selbst ereilte. Als Vertreter der so genannten verschollenen Generation konnte er in den Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren zwar bereits erste wichtige Aufmerksamkeit als Maler erzielen, wurde durch die Vorgaben der Nationalsozialisten in seiner weiteren künstlerischen Entwicklung jedoch so massiv behindert, dass es ihm wie den meisten verfemten Künstlern nach Kriegsende nicht gelang, an seine frühen Erfolge anzuknüpfen. Dabei hatten weitsichtige Zeitgenossen den jungen Absolventen der Akademie der Bildenden Künste München in Kritiken bereits als »malerische Nachkommenschaft von Toulouse-Lautrec« gewürdigt und für seine »auffallende Schärfe des Blicks« gelobt.
Heute ist der Maler, Grafiker, Autor, Illustrator und spätere künstlerische Leiter des Satiremagazins Eulenspiegel Bernhard Nowak klar im stilistischen und politischen Spannungsfeld des 20. Jahrhunderts zu situieren. Zu dessen wichtigen repräsentativen Vertretern zählt er nicht zuletzt aufgrund seines kulturpolitischen Engagements als Leiter der Kulturredaktion der Neuen Berliner Illustrierten, als Bildredakteur der Zeitschrift Das Magazin und als Leiter des von ihm aufgebauten Plakatarchivs der Akademie der Bildenden Künste Berlin.
Außergewöhnlich gut ist der künstlerische und politische Werdegang Bernhard Nowaks durch einen umfangreichen Nachlass dokumentiert, der sich heute im Privatbesitz des Autors Karl Kern befindet und das solide Fundament für eine faktenbasierte und authentische Aufarbeitung der Lebensleistung des Künstlers und Kulturschaffenden Nowak bildet.
Das Resultat von Kerns mehr als fünfzehnjähriger Forschungstätigkeit zu Person, Leben und Werk Bernhard Nowaks liegt nun vor in Form seines Künstlerromans CAVON. Ein biografischer Roman in Bildern, der zusammen mit bundesweiten Retrospektiven des künstlerischen OEuvres Nowak-Cavons zu dessen Rehabilitierung und später Anerkennung als wichtiger Vertreter der Neuen Sachlichkeit, aber auch zur erstmaligen Sichtbarmachung seines weitaus vielschichtigeren Gesamtwerkes beitragen soll.
Dass einzelne Werke Nowaks aus der Sammlung des Willy-Brandt-Hauses Berlin und des Zentrums für verfemte Künste Solingen durch Wanderausstellungen bereits einem breiten Publikum zugänglich waren und noch sind, ist Ansporn und Bestätigung zugleich.
Denn anders als die fassbaren Produkte geistiger Tätigkeit, deren Existenz stets latent gefährdet ist, ist ein mentales Element des kulturellen Gedächtnisses unantastbar und seine Permanenz garantiert:
»Was bleibt?
Ein Wort, bis der Anlass vergessen ist;
Verse, Buchseiten, Zeichnungen – sie sind
brennbar. Dir bleibt: der Name
Nowak.«
Dr. Frauke Bayer, im Februar 2017
1 Dieses wie die folgenden Zitate stammen aus: Bernhard Nowak: ZUEIGNUNG an meinen am 19. März 1940 geborenen Sohn, verfasst 1964 unter dem Pseudonym B. Idamann, im Privatbesitz von Friedrich Nowak, Berlin.
2 Bernhard Nowak benutzte das Pseudonym Cavon, ein Anagramm seines Nachnamens Nowak, für sein Frühwerk bis in die Dreißigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Blätter aus diesem Zeitraum sind häufig auch nur mit einem stilisierten C als Signet signiert. In der Forschung und im Kunsthandel wird Nowak unter dem Namen Bernhard Nowak-Cavon geführt.